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April 2019 - Thema des Monats: Leave no Youth behind
Jugendliche

April 2019 - Thema des Monats: Leave no Youth behind

terre des hommes schweiz (tdhs) befähigt Jugendliche in der Prävention und Handhabung von HIV/Aids. Erfahrungen im Feld haben gezeigt, dass HIV-positive Jugendliche innerfamiliäres Verständnis und Offenheit, jugendgerechte Gesundheitsdienstleistungen und wenn nötig psychische Unterstützung brauchen, um gesundheitliche Selbstverantwortung wahrzunehmen. Am Beispiel der Partnerorganisation Million Memory Project Zimbabwe (MMPZ) zeigt tdhs die wichtigen Komponenten für eine jugendgerechte Unterstützung auf. (Foto: Freiwillig engagierte Jugendliche von MMPZ spielen eine entscheidende Rolle bei der Arbeit mit anderen Jugendlichen / © René Fietzek).

 

Zur Situation in Zimbabwe

In Zimbabwe sterben immer noch jährlich 25‘000 Menschen an den Folgen von Aids, obwohl der Ausbruch der Krankheit verhindert werden könnte. Das Land zählt heute 13,1 Mio. Einwohner. Über 70 % von ihnen leben in Armut und der HDI (Human Development Index) ist mit 0.509 auf Rang 155 weltweit. Mit einer HIV-Prävalenz von 15 % ist Zimbabwe eines der meist betroffenen Länder Afrikas. Mehr als zwei Drittel der ZimbabwerInnen ist unter 25. Das Wohlergehen dieser Schlüsselbevölkerung ist für die Zukunft des Landes entscheidend, doch besitzt weniger als die Hälfte von ihnen genügend Wissen und Kompetenzen, um sich vor HIV zu schützen.


Viele Jugendliche werden mit dem HI-Virus geboren

Vor wenigen Wochen ist Nobuhle 17 geworden. Dass sie ihren Geburtstag feiern konnte, hinzu noch mit Freunden, dafür ist sie sehr dankbar. Nobuhle ist HIV-positiv und lebt zusammen mit ihrem Bruder bei ihrer Grossmutter in Bulawayo, der zweitgrössten Stadt Zimbabwes.

Nobuhle ist wie viele ihrer Generation HIV-positiv zur Welt gekommen. Erfahren hat sie es erst viel später. „Jahrelang habe ich täglich Pillen eingenommen, ohne zu wissen, dass sie den Ausbruch von Aids verhindern. In der Schule habe ich dann das erste Mal von Aids gehört. Von Mitschülern lernte ich, dass die Pillen in Wirklichkeit ARVs (antiretrovirale Medikamente) waren. Ich musste alleine herausfinden, dass ich HIV-positiv bin.“

 

Mit non-formalen Bildungsmethoden werden Sozial- und Lebenskompetenzen der Jugendlichen gestärkt. Hier wird innerhalb eines Workshops zur Kommunikation ein Rollenspiel durchgespielt (Foto: © René Fietzek).

 

HIV-Prävention und psychosoziale Unterstützung sind im Spital angeschlossen

Um diesen Fragen zu begegnen und Jugendliche in dieser Situation aufzufangen und unterstützen zu können wurde MMPZ 2005 gegründet. Die Partnerorganisation von terre des hommes schweiz arbeitet vor allem im Mpilo-Spital, dem grössten Spital der Region, wo jährlich rund 6‘000 HIV-positive und aidskranke Jugendliche ihre monatliche Dosis Medikamente abholen. Die Organisation hat ihren Sitz im Gebäude des Spitals. Die medizinische Behandlung der Jugendlichen übernimmt das Spital. MMPZ arbeitet komplementär dazu und hat ihre Kernkompetenz im Bereich der HIV/Aids-Prävention und psychosozialen Unterstützung von Jugendlichen.

HIV-positive Jugendliche sind sehr häufig von Stigmatisierung und Diskriminierung sowie von Missbrauch in der Schule und in ihrem Umfeld betroffen. Verheerend wirkt sich auch die Tabuisierung von Sexualität und HIV/Aids in Zimbabwe auf Jugendliche aus. Deshalb bietet MMPZ neben der Sexualaufklärung und psychosozialen Unterstützung (PSS) von Jugendlichen, auch die Sensibilisierung ihres Umfeldes an. Das sind Eltern, Mitschüler, Lehr- und Pflegepersonal. So wird gewährleistet, dass die Jugendlichen genügend Wissen erlangen und auch den nötigen Rückhalt erfahren damit sie ihre Behandlung aufrechterhalten und ihre Gesundheit schützen. Auch Gabriela Wichser, Leiterin der Programme bei terre des hommes schweiz unterstreicht den Stellenwert der Arbeit mit Jugendlichen: « Jugendliche durchleben mit der Pubertät eine Schlüsselphase ihres Lebens, die mit Unsicherheit und grossen Fragen verbunden ist. Umso wichtiger ist es diese Fragen ernst zu nehmen und bedürfnisorientiert anzugehen. »


Jugendfreundliche medizinische Anlaufstellen und Vernetzung zu psychosozialen Beratung und Begleitung

MMPZ hat die Aufnahmestruktur und das Personal des Spitals in Hinblick auf Jugendfreundlichkeit gestaltet und geschult. „Es ist entscheidend, dass Jugendliche in der Krisensituation mit einem Lächeln aufgenommen werden und sie sofort Hilfe erhalten. Viele Jugendliche, die ihren Status selber herausfinden verlieren jegliche Zukunftsperspektive und setzen häufig die Medikamente aus. Das kann verheerende Folgen für ihre Gesundheit haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich dabei nicht allein um Dienstleistungen handelt. Jedes Kind hier hat ein Menschenrecht auf Gesundheit“ betont Trevor Chirimambowa, Direktor von MMPZ.

Jugendliche, die wie Nobuhle eine solche Krisensituation durchleben, werden zu Mitarbeitern von MMPZ weitergeleitet. Sie erhalten psychosoziale Unterstützung und Beratung. Danach beginnt die eigentliche Begleitung durch den Alltag. Mit Hausbesuchen, Einladungen zu Jugendgruppentreffen und anderen Angeboten wird gewährleistet, dass Jugendliche laufend begleitet und unterstützt werden. Diese Begleitung im Alltag wird durch jugendliche Freiwillige von MMPZ gewährleistet. „Wir arbeiten mit etwa 20 Jugendlichen, die vor Jahren mal in einer ähnlichen Situation waren“, erklärt Herr Chirimambowa. „Sie sind heute dafür mitverantwortlich, dass anderen Jugendlichen geholfen wird.“

 

Jugendliche, die nach einem Test im Spital positiv auf HIV getestet werden, müssen eng und laufend begleitet werden. Hier berät eine Mitarbeiterin von MMPZ einen Jugendlichen (Foto: © René Fietzek).

 

Begleitung durch junge Freiwillige, die ähnliche Situationen erlebt haben

Nobuhle ist eine von ihnen. Damals ist sie einer Jugendgruppe von MMPZ beigetreten und mit der Zeit hat sie sich immer weiter engagiert. Sandra Chiomvu arbeitet seit fünf Jahren für MMPZ als Jugendarbeiterin und hat in dieser Zeit viele Jugendliche begleitet. „Wir haben es immer wieder mit Jugendlichen in sehr schwierigen Situationen zu tun. Es ist extrem motivierend zu sehen, wie viel Rückhalt sie sich gegenseitig geben. Am Ende des Tages sind die Bedürfnisse der Jugendlichen sehr einfach. Es ist Vertrauen, Wärme und einfach ein Rückzugsort, was sie suchen.“ Das alles finden sie in den knapp 20 Jugendgruppen, die die Freiwilligen in der ganzen Stadt betreuen. So wird gewährleistet, dass Unterstützung nicht nur vorhanden ist, sondern auch erreichbar.

Auch die Freiwilligen werden eng begleitet und laufend weitergebildet. „Wichtig ist, dass die Freiwilligen ihre Grenzen kennen und wissen, wann sie nicht mehr weiterhelfen können und professionelle Hilfe von uns holen müssen“, sagt Frau Chiomvu. In der Regel jedoch ist diese Unterstützung ausreichend. Und die Erfolgszahlen von MMPZ sind beeindruckend und ohne Zweifel auf den Ansatz zurückzuführen, jugendliche Freiwillige in die Arbeit einzubeziehen. In der Projektphase zwischen 2016 und 2018 wurden 412 Jugendliche in solchen Krisensituationen begleitet. 301 davon sind erfolgreich zurück zu einer Behandlung bewogen worden. 111 sind entweder umgezogen oder verstorben. Bei 122 der 301 begleiteten Jugendlichen ist keine externe Hilfe mehr nötig, 135 werden noch von Jugendlichen begleitet und ihre selbstständige Behandlung ist absehbar. Bei den übrigen 44 Härtefällen kümmern sich MitarbeiterInnen von MMPZ darum, Kinder und Familien zu erreichen.“


Familien und Erziehungsberechtigte der HIV-positiven Jugendlichen müssen einbezogen werden

Familien sind das wichtigste Umfeld der Jugendlichen. Insofern kommt eine erfolgreiche Projektarbeit nicht umher sie einzubeziehen. Denn die fehlende Unterstützung durch die Überforderung der Erziehungsberechtigten und die erfolglose Identitätssuche (gerade im jugendlichen Alter) wirken sich negativ auf die psychische Verfassung der Jugendlichen aus. Und folglich auch auf ihre Motivation, eine Behandlung kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Nobuhle’s Schicksal ist hier keine Ausnahme, wie sie schildert. „Nachdem ich herausfand, dass ich HIV-positiv bin, kam ich auch darauf, dass meine Eltern an Aids verstorben waren. Bis dahin hatte ich meiner Grossmutter geglaubt, sie seien bei einem Autounfall verstorben. Damals war ich so wütend auf meine Grossmutter, auf die Welt. Ich verlor jeglichen Antrieb zu leben.“

Diese innerfamiliären Konflikte sind kennzeichnend für das Umfeld der Jugendlichen. Das weiss auch Cinderella Mushambi. Die Mitarbeiterin von MMPZ leitet Workshops und Seminare für die Eltern und Erziehungsberechtigten von HIV-positiven Jugendlichen. „Erziehungsberechtigte, die Aids-Waisen aufnehmen, sind häufig mit der Situation überfordert. Sie wissen selbst nicht genug über HIV, tabuisieren das Thema gänzlich und sind mit der Erziehung ihrer Enkel, Nichten oder Adoptivkinder völlig überfordert.“ Deshalb arbeitet MMPZ nicht nur mit Jugendlichen selbst, sondern auch mit ihrem engsten Umfeld und hilft Angehörigen dabei, ihre Kinder besser unterstützen und begleiten zu können.

Aus diesem Grund ist die Arbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten so wichtig, erklärt Tayson Mudarikiri, Nationalkoordinator von terre des hommes schweiz in Zimbabwe. Alle unsere Partnerorganisationen hier in Zimbabwe arbeiten im Rahmen eines so genannten ökologischen Modells, um die Situation der Jugendlichen möglichst nachhaltig zu verbessern.“ Dieses Modell verfolgt den Ansatz nicht nur mit den Jugendlichen selbst, sondern mit ihrem direkten Umfeld zu arbeiten, damit dieses unterstützend und nicht wertend mit ihnen umgeht.

Autor:

Hafid Derbal, terre des hommes schweiz, Programmkoordinator Zimbabwe und Südafrika. Email